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Das Effizienz-Paradoxon: Warum Effizienzprogramme fast nie funktionieren

Geschrieben von Maik Scheele | 12.11.2024 12:53:12

„Wir müssen effizienter werden!“ Dieser Satz ist oft in Organisationen zu hören. Und das, obwohl alle hart arbeiten und ihr Bestes geben. Die Ursache liegt häufig in einem falschen Verständnis von Effizienz: In vielen Unternehmen wird Effizienz nur als Ressourceneffizienz verstanden – also wie viel Arbeit eine Ressource (Mitarbeitende, Maschinen etc.) in einer bestimmten Zeitspanne schafft. Aus Kundensicht ist jedoch die Flusseffizienz entscheidend, da sie die Durchlaufzeiten verkürzt und bestimmt, wie schnell Produkte und Dienstleistungen den Kunden erreichen. Indem Organisationen ihre Prozesse intelligenter gestalten und auf Zusammenarbeit setzen, können sie durch Flusseffizienz signifikante Verbesserungen erzielen.


Der entscheidende Unterschied zwischen Ressourcen- und Flusseffizienz

Welche Auswirkungen dieses Effizienz-Paradoxon haben kann, zeigt das folgende Beispiel aus dem medizinischen Bereich (Quelle: „Das ist Lean: Die Auflösung des Effizienzparadoxons“). In zwei unterschiedlichen Verläufen vom ersten Verdachtsfall bis zur endgültigen Krebsdiagnose werden die zentralen Unterschiede zwischen der Ressourcen- und der Flusseffizienz mehr als deutlich.

  • Im ersten Fall kommt eine Patientin mit dem Verdacht auf Brustkrebs zu ihrer Hausärztin. Sie wird zur Radiologie überwiesen, um eine Mammographie durchzuführen. Es vergehen einige Tage, bis sie dort einen Termin erhält. Nach der Untersuchung wird sie an ein Labor verwiesen, um weitere Tests durchführen zu lassen, doch auch hier gibt es Wartezeiten, bis alle notwendigen Proben untersucht sind. Schließlich wird sie zu einem Spezialisten überwiesen, der das Gesamtergebnis auswertet. Insgesamt dauert es 42 Tage, bis die Patientin ihre Diagnose erhält. Jede:r der beteiligten Ansprechpartner:innnen – ob Radiolog:in, Labor oder Spezialist:in – arbeitet effizient in seinem eigenen Bereich. Doch die Prozesse sind nacheinander geschaltet, und jede Abteilung arbeitet nur mit den Ressourcen, die ihr zur Verfügung stehen. Das ist Ressourceneffizienz: Jedes System, jeder Mensch und jede Maschine arbeiten optimal innerhalb des eigenen Bereichs. Doch für die Patientin bedeutet dies lange Wartezeiten und viele einzelne Schritte.
  •  Im zweiten Fall geht eine Patientin mit dem gleichen Verdachtsfall direkt in ein spezialisiertes Brustkrebszentrum. Dort sind alle nötigen Fachärzte, Geräte und Labore an einem Ort vereint. An einem Vormittag durchläuft sie alle notwendigen Untersuchungen, von der Mammographie bis hin zu Bluttests, und erhält direkt danach eine Diagnose. Die Abläufe sind darauf ausgerichtet, die Bedürfnisse der Patientin ins Zentrum zu stellen und die Zusammenarbeit der Fachbereiche zu optimieren. Dies verdeutlicht das Prinzip der Flusseffizienz: Die einzelnen Stationen sind darauf ausgelegt, den Prozess im Fluss zu halten, ohne unnötige Wartezeiten und Reibungsverluste. Dieser Ansatz ähnelt der Art und Weise, wie viele moderne Unternehmen ihre Abläufe optimieren, um Verzögerungen zu reduzieren und die Effizienz ihrer Prozesse zu steigern.

Dieses Beispiel aus dem medizinischen Bereich veranschaulicht auf einfache Weise, wie unterschiedlich Ressourcen- und Flusseffizienz wirken können. Während Ressourceneffizienz darauf abzielt, dass jede Abteilung maximal ausgelastet ist, steht bei der Flusseffizienz der gesamte Prozess und die Kundenerfahrung im Mittelpunkt. Auch in der Unternehmenswelt zeigt sich, dass durch smarte, skalierbare Lösungen und eine engere Zusammenarbeit innerhalb von Teams signifikante Effizienzgewinne erzielt werden können. Die Verknüpfung von Prozessen und die Reduktion von Wartezeiten fördern einen durchgängig optimierten Ablauf und verbessern letztlich sowohl die Produktivität als auch die Kundenzufriedenheit.

Ein Teufelskreis: Vom Irrglauben, dass mehr Menschen mehr Arbeit schaffen 

Ein ganz normaler Reflex in den meisten Unternehmen: Um mehr Arbeit zu erledigen und Engpässe in den Arbeitsabläufen zu vermeiden, rufen viele Abteilungsleiter:innen direkt nach mehr Mitarbeitenden. Doch auch ein Zuwachs an Mitarbeitenden wird in der Regel ohne eine Anpassung der Arbeitsabläufe nicht dazu führen, dass Projekte schneller bearbeitet werden. Im Gegenteil: Im schlimmsten Fall kann dies sogar dazu führen, dass die Performance sinkt. Woran liegt das? Viel zu häufig werden mit mehr Personal gleichzeitig weitere Aufgaben begonnen, was den Work-in-Progress proportional zur Anzahl neuer Mitarbeitenden vergrößert. Am Ende bleibt trotzdem vieles unerledigt – ein echter Teufelskreis!

Die hohe Anzahl gleichzeitiger Aufgaben (Work-in-Progress, WIP) und der fehlende Fokus auf wertschöpfende Aktivitäten sind oft entscheidende Gründe für mangelnde Effizienz. Wenn neue Arbeit in den Workflow kommt, fehlt zudem meist eine klare Prognose darüber, wie viel Zeit bis zur Fertigstellung benötigt wird. Diese Unsicherheit erschwert die Planung und führt dazu, dass sich Aufgaben aufstauen. Ein zentraler Aspekt in diesem Zusammenhang ist die Lead Time – also die Zeit, die ein Ticket vom Start bis zur Lieferung benötigt. Zusätzlich gibt es den Throughput, der angibt, wie viele Tickets pro Zeiteinheit abgeschlossen werden.

Hier kommt das „Little’s Law“ ins Spiel, ein fundamentales Prinzip der Warteschlangentheorie, das den Zusammenhang zwischen der Anzahl paralleler Aufgaben, der Lead Time und dem Durchsatz beschreibt. Je mehr Aufgaben gleichzeitig bearbeitet werden, desto länger dauert es, sie abzuschließen. Wer dieses Prinzip versteht und die Prozesse entsprechend anpasst, kann die Effizienz deutlich steigern, indem die Anzahl der gleichzeitigen Aufgaben begrenzt wird und der Fokus stärker auf den Abschluss laufender Arbeiten gelegt wird.

Ein weiteres Problem entsteht, wenn während der Wartezeit auf ein Ticket, zum Beispiel wenn die wichtige Antwort eines Kollegen noch aussteht, neue Aufgaben begonnen werden. Dies mag zunächst sinnvoll erscheinen, da unproduktive Zeit überbrückt werden soll. Allerdings führt dieses Vorgehen dazu, dass der WIP weiter steigt. Und: Je mehr Aufgaben gleichzeitig in Bearbeitung sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Blocker oder Hindernisse auftreten, die den Fortschritt behindern. Diese Blocker erfordern dann zusätzliche Zeit und Ressourcen, ohne einen direkten Mehrwert für das Projekt zu liefern. Sie tragen vielmehr dazu bei, dass immer mehr Zeit für die Lösung von Problemen verbracht wird, ohne dass wertschöpfende Aktivitäten stattfinden. Im Gegenteil: Das Auflösen dieser Blocker beansprucht häufig so viel Aufmerksamkeit, dass die eigentliche Arbeit ins Stocken gerät. Durch eine frühzeitige Erkennung von Blockaden und die Reduktion des Work-in-Progress (WIP) können Unternehmen den Teufelskreis durchbrechen und ihre Effizienz erheblich steigern.

Wie Unternehmen ihre Durchlaufzeiten und Zusammenarbeit optimieren 

Um den Teufelskreis zu durchbrechen, müssen Teams ihren WIP reduzieren und sich auf wertschöpfende Aktivitäten konzentrieren. Bereits die Anwendung von „Little’s Law“ verdeutlicht anschaulich, wie wichtig es ist, die Anzahl der parallel bearbeiteten Aufgaben zu verringern, um die Lead Time zu senken und eine effizientere Arbeitsweise zu ermöglichen. Um die Gesamtleistung eines Unternehmens zu steigern, sollte der Fokus darauf liegen, begonnene Aufgaben konsequent abzuschließen, anstatt immer wieder neue zu beginnen – ganz nach dem Prinzip „Stop starting. Start finishing.“

Darüber hinaus ist es wichtig, die Zusammenarbeit zu fördern, insbesondere durch Pair Working. Dies sorgt dafür, dass Wissen geteilt wird und weniger Engpässe durch einzelne Expert entstehen. Obwohl dies auf den ersten Blick weniger ressourceneffizient erscheint, steigert es die Flusseffizienz erheblich. In vielen erfolgreichen Organisationen werden bereits die Vorteile von Pair Working und Selbstorganisation genutzt, um Hindernisse zu reduzieren und die Effizienz des Gesamtsystems zu erhöhen.

Ein weiteres Schlüsselelement ist die Selbstorganisation der Teams. Abteilungen, in denen die Mitarbeitenden selbstorganisiert arbeiten, sind stärker in Entscheidungen eingebunden und setzen den Fokus darauf, wie sie gemeinsam Aufgaben abschließen können. Dies schafft eine dynamischere und produktivere Arbeitsweise. Zudem sollten Entscheidungen dezentralisiert werden. Dadurch entfallen langwierige Abstimmungsprozesse mit Führungskräften, und Entscheidungen können schneller getroffen werden, was wiederum die Effizienz erhöht.

Effizienz durch gezielte Optimierung 

Oberstes Ziel sollte es sein, unnötige Arbeiten zu eliminieren und die wertschöpfenden Tätigkeiten wieder in den Vordergrund zu rücken. Wer dies erfolgreich umsetzt, verbessert nicht nur die Effizienz, sondern steigert gleichzeitig die Kundenzufriedenheit. Smarte Technologien und optimierte Prozesse, wie sie von diconium entwickelt werden, können dabei helfen, die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens nachhaltig zu stärken. Durch die Fokussierung auf den Gesamtprozess, statt nur auf einzelne Abteilungen, können signifikante Effizienzgewinne erzielt und Ressourcen sinnvoller genutzt werden. Mit einer klaren Ausrichtung auf Flusseffizienz und der Reduktion von parallellaufenden Aufgaben wird der Workflow deutlich optimiert und die Durchlaufzeit reduziert – das Ergebnis sind zufriedene Kunden und eine höhere Produktivität. 

Hast du Fragen rund um Workflow Management? Unsere Expert:innen stehen dir gerne zur Seite und zeigen dir, wie du deine Produktivität und Wertschöpfung optimierst. 


Übrigens: Zu diesem Thema bieten wir einen Workshop an, in dem du lernst, wie Arbeitsprozesse optimiert und beschleunigt werden können. Mehr Infos findest du hier: