Der Digitale Produktpass: Schlüssel zur Kreislaufwirtschaft und Transparenz
Agenda
- Der DPP ist kein „Nice-to-have“, sondern ein strategisches Element für Unternehmen.
- Die Zusammenarbeit in der Lieferkette ist ein entscheidender Erfolgsfaktor.
- Wettbewerbsvorteile können durch Transparenz entstehen.
- Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft werden durch den Digitalen Produktpass gefördert
- Unternehmen sollten jetzt beginnen, um auf regulatorische Anforderungen vorbereitet zu sein.
- Durch die neuen offenen Datenräume und Transparenz können neue Geschäftsmodelle ermöglicht werden (z. B. Product-as-a-Service)
Einleitung
Der digitale Produktpass (DPP) wird für Unternehmen ein strategisch wichtiges Werkzeug sein, um die regulatorische EU-Ökodesign-Verordnung / Ecodesign for Sustainable Products Regulation (ESPR) in der Praxis zu erfüllen. Zielsetzung ist es mithilfe dieser Verordnung die Basis für eine nachhaltige, datengetriebene und zukunftsfähige Industrie in der EU zu etablieren und damit neue digitale Services und Geschäftsmodelle zu fördern. Unternehmen sollen mit dem digitalen Produktpass Transparenz entlang des gesamten Produktlebenszyklus schaffen, indem sie produktspezifische Nachhaltigkeits- und Herkunftsinformationen in digitaler Form speichern und elektronisch zugänglich bereitstellen. Welche Informationen im DPP enthalten sein sollen, wird von der Europäischen Kommission in enger Abstimmung mit allen relevanten Interessengruppen festgelegt und hängt vom jeweiligen Produkttyp ab.
Hintergrund & Kontext
Mit der Ökodesign-Verordnung kommen neue Anforderungen, die den gesamten Lebenszyklus eines Produktes abdecken und der Stärkung der Kreislaufwirtschaft und Verlängerung der Produktlebensdauer dienen sollen: Haltbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Nachrüstbarkeit und Reparierbarkeit, Höchstgehalte an sogenannten besorgniserregenden Stoffen, Ressourceneffizienz, Rezyklatanteil, Wiederaufbereitung und Recycling, aber auch Informationsanforderungen, wie Ausweisung des CO2- bzw. Umweltfußabdruckes. Diese Informationen sollen durch die Einführung digitaler Produktpässe, zugeschnitten auf die jeweilige Produktgruppe, für relevante Akteure des Produktlebenszyklus (Verbraucher, Industrie und Behörden) vollständig oder teilweise zugänglich gemacht werden.
Ab wann ist der Digitale Produktpass für Unternehmen verpflichtend?
- Die Einführung des Digitalen Produktpasses erfolgt ab 2027 schrittweise. Den Anfang macht der Batteriepass, der ab diesem Zeitpunkt für Industrie- und Elektrofahrzeugbatterien verpflichtend wird. In den darauffolgenden Jahren wird die EU-Kommission weitere spezifische Regelungen für weitere Produktgruppen erlassen (u.a. Textilien, Elektronik, Möbel, Kunststoffe und Bauprodukte.)
- Der DPP gilt in allen 27 Mitgliedstaaten der EU. Entscheidend ist dabei nicht der Herstellungsort, sondern der Verkauf oder das Inverkehrbringen innerhalb der EU. Das bedeutet, dass jedes Produkt, das auf dem europäischen Markt angeboten wird, künftig einen DPP vorweisen muss – eine Entwicklung, die weitreichende Auswirkungen auf globale Lieferketten haben wird. Alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette – von den Zulieferern über die Hersteller und Händler bis hin zu Verbrauchern, Reparaturbetrieben und Recyclern – werden mit dem DPP in Berührung kommen.
Chancen & Potenziale
- Digitaler Produktpass verbessert Transparenz über die gesamte Lieferkette hinweg
Die digitale Umsetzung des Produktpasses erhöht die Verfügbarkeit und Aktualität von Produktdaten erheblich. Über standardisierte digitale Zwillinge lassen sich Informationen automatisiert auslesen, verarbeiten und über Systemgrenzen hinweg austauschen. Dies vereinfacht nicht nur interne Abläufe, sondern verbessert auch die Kommunikation mit Partnern, Kunden und Behörden. Zudem ermöglicht der digitale Produktpass eine bessere Nachverfolgbarkeit und Bewertung von Umweltauswirkungen, was sowohl Compliance mit gesetzlichen Anforderungen als auch strategische Nachhaltigkeitsziele unterstützt.
- Offene Standards und Datenräume: Die Basis für neue Potenziale
Der Einsatz offener, interoperabler Datenformate stellt sicher, dass Informationen langfristig zugänglich, nutzbar und maschinenlesbar bleiben. Die Verwaltungsschale (Asset Administration Shell, AAS) als interoperables Austauschformat eignet sich laut Fraunhofer Institut dafür besonders aufgrund ihrer Offenheit. Weiterhin bietet eine Bereitstellung über einen Datenraum viele weitere Vorteile. Hier kann die bleibende Verknüpfung mit den nutzenden Unternehmen für die Bereitstellung weiterer Services genutzt werden.
Schritte zur Implementierung eines digitalen Produktpasses
Die erfolgreiche Einführung erfordert eine strukturierte Herangehensweise: von der Definition der relevanten Daten, über die Integration in bestehende Systeme, bis hin zur sicheren und interoperablen Bereitstellung der Informationen.
- Identifikation relevanter Informationen: Die Einführung eines digitalen Produktpasses beginnt mit der Identifikation der relevanten Informationen aus den Regularien, die über das Produkt dokumentiert werden müssen – so kann der erforderliche Scope als Zielbild abgeleitet werden.
- Aufbau des Digitalen Zwillings: Anschließend wird ein digitaler Zwilling des Produkts aufgebaut. Typischerweise wird hierfür die Asset Administration Shell (AAS) als interoperables Standard-Format genutzt.
- Harmonisierung und Anbindung der Datenquellen: Bestehende Datenquellen (z.B. ERP-, PLM-Systeme) müssen harmonisiert und an den digitalen Zwilling angebunden werden. So kann der digitale Zwilling kontinuierlich mit aktuellen Informationen versorgt werden.
- Bereitstellung des Zugriffs: Der Zugriff auf diese Produktinformationen wird über standardisierte Schnittstellen oder benutzerfreundliche Visualisierungen ermöglicht.
Wir unterstützen Sie bei der Umsetzung – von der Datenarchitektur bis zur Kommunikation.
Weitere Anwendungsbeispiele
- Textilindustrie – Nachverfolgbarkeit von Materialien.
- Elektronik – Reparaturfähigkeit und Recycling.
- Maschinenbau – Ersatzteilmanagement und Second Life.
Das Konzept des DPP exemplarisch im Detail: Digitaler Batteriepass
- Produktidentifizierung und Rückverfolgbarkeit
Der digitale Batteriepass muss über einen QR-Code oder einen ähnlichen Code zugänglich sein, der mit einer eindeutigen Batterie-Kennung verknüpft ist. Diese Kennung ist einzigartig und dient zur Identifizierung von Batterien, die auch eine Verknüpfung zum Batteriepass ermöglicht. Die Batterie-Kennung muss den gängigen ISO-Normen oder gleichwertigen Normen entsprechen. Weiterhin sind grundlegende Produktdetails wie Modell, Seriennummer, Herstellungsdaten sowie Lieferanten und alle an der Lieferkette beteiligten Akteure anzugeben.
- Chemische Zusammensetzung und Materialzusammensetzung
Der Batteriepass muss eine umfassende Liste der verwendeten Materialien, einschließlich des Anteils an recycelten Inhaltsstoffen, enthalten. Er muss Informationen über die Batteriechemie sowie alle kritischen Rohstoffe enthalten, wenn diese in der Batterie in einer Konzentration von mehr als 0,1 Gewichtsprozent enthalten sind.
- CO₂-Fußabdruck und Umweltindikatoren
Informationen über den CO₂-Fußabdruck des Produkts über seinen gesamten Lebenszyklus müssen angegeben werden. Bei EV-Batterien, wiederaufladbaren Industriebatterien > 2 kWh und LMT-Batterien muss ein deutlich lesbares und unauslöschbares Etikett angebracht sein, auf dem der CO₂-Fußabdruck sowie die CO₂-Fußabdruck-Leistungsklasse angegeben ist, der das betreffende Batteriemodell pro Produktionsstätte entspricht. Weitere Informationen zum Energieverbrauch und Wasserverbrauch sind ebenfalls bereitzustellen.
- Entsorgung und Recycling
Anweisungen zur Produktpflege und Reparaturfähigkeit sowie Hinweise zur ordnungsgemäßen Entsorgung sind erforderlich. Außerdem müssen Informationen über die Rolle der Endnutzer bei der getrennten Sammlung von Altbatterien enthalten sein.
- Konformität und Zertifizierung
Ein Batteriepass muss die Ergebnisse von Prüfberichten enthalten, die die Einhaltung der Anforderungen der Batterieverordnung nachweisen. Ein Sorgfaltsbericht muss über den Batteriepass und auch im Internet kostenlos zugänglich sein.
Die Herausforderung: präzise Erfassung des CO₂-Fußabdrucks von Produkten
Der CO₂-Fußabdruck (engl. Product Carbon Footprint, PCF) muss im digitalen Produktpass oder dem Batterieproduktpass aufgeführt werden. Deshalb ist es essenziell, CO₂-Emissionen zu erfassen, zusammenzufassen und zu berechnen. Das ist eine der größten Herausforderungen für viele Branchen. Eine präzise Umsetzung erfordert die vollständige Digitalisierung aller Prozesse und Maschinen entlang der gesamten Produktionskette. Der Einsatz neutraler und interoperabler Technologien ist daher unerlässlich.
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